Nachhaltig und mobil zum Möbelhaus? Ob das geht, diskutierte TT30-Mitglied Tina Teucher mit den Teilnehmern beim IKEA Mobilitätsforum 2019.
Wie lässt sich innerstädtische Mobilität nachhaltig umsetzen? Was passiert, wenn am Wochenende 14.000 Autos mehr auf Karlsruher Straßen unterwegs sind? Und wie kann man ein Umdenken der Verkehrsteilnehmer erreichen? Diese und weitere Fragen diskutierten Experten und Bürger von Karlsruhe am 7. Mai im Rahmen des IKEA Dialogforums „Nachhaltige Mobilität – für eine lebenswerte Innenstadt“. Tina Teucher moderierte die Veranstaltung.
In Karlsruhe eröffnet im Sommer 2020 die 54. Deutsche Filiale des schwedischen Möbelherstellers IKEA. Wer schon einmal auf Jagd nach BILLY, PAX und Co. war, hat sich sicherlich Gedanken gemacht, wie er am besten zum nächstgelegenen Möbelhaus kommen soll. Oft sind die Filialen nicht ausreichend ans öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen und nicht jeder besitzt ein Auto, das er nach erfolgreicher Shoppingtour minutenlang auf den riesigen Parkflächen sucht.
In Karlsruhe sollen die zukünftigen Kunden schon in der Planungsphase mitbestimmen, wie das Mobilitätskonzept für die neue Filiale in Karlsruhe aussehen soll. Dafür lud IKEA zu einer Diskussionsrunde am 7. Mai 2019 ein. Interessierte Bürger und Entscheidungsträger aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft hatten die Möglichkeit, den Planenden des Marktes verschiedene
Blickwinkel auf und Ideen für das Mobilitätskonzept in Karlsruhe zu geben.
Baden-Württemberg hat ambitionierte Mobilitätsziele
In seiner Impulsrede verdeutlichte der Baden-Württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, dass nachhaltige Mobilitätsinitiativen die Unterstützung seiner Landesregierung haben. Bis Mitte des Jahrhunderts soll der Verkehr in seinem Land klimaneutral sein. Das Ziel sei, jeden 2. Weg mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Geplant sind 1.000 Mobilitätshubs, an denen das Umsteigen zwischen den Mobilitätsarten und v.a. das Sharing leicht werden. Dafür müsse man auch verkehrsvermeidend planen und die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten und Stadtquartieren stärken. Der grüne Politiker wünschte sich mehr Ambitionen seiner Kollegen im ganzen Lande: Früher hätte Deutschland die Europäische Union (EU) getrieben, heute treibe die EU eher Deutschland.
Die Diskussionsteilnehmer
Winfried Hermann (Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg),
Prof. Anke Karmann-Woessner (Leiterin Stadtplanungsamt, Stadt Karlsruhe),
Ascan Egerer (Techn. Geschäftsführer, Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK)),
Daniel Rieger (Referent Verkehrspolitik Naturschutzbund Deutschland (NABU)),
Martin Kagerbauer (Senior Researcher, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)),
Christiane Scharnagl (Sustainability Manager, IKEA Deutschland),
Johannes Ferber (Property Manager, IKEA Deutschland).
Raus aus dem Auto – rein in die Öffis! Aber wie?
Zunächst diskutierten die Teilnehmenden grundsätzlich darüber, wie man es schaffen kann, die Bürger im übertragenen Sinne raus aus den Autos und rein in den ÖPNVs (Öffentlicher Personennahverkehr) zu kriegen. Solange die Bahn weiterhin täglich Verspätungen aufweist, man beim Nachdenken darüber, welches Ticket nun das richtige ist, Kopfschmerzen bekommt und die innerstädtischen Bezirke so von Abgasen belastet sind, dass Radfahren keine Option ist, werden die Menschen ihr Verkehrsverhalten nicht ändern. In Karlsruhe gibt es dafür zwar schon viele gute Lösungen, dennoch sind die Vorbehalte allgemein groß.
Für eine erfolgreiche Kollaboration müssen drei Akteure eng zusammenarbeiten: Unternehmen, die neue Ideen verwirklichen und attraktive Angebote schaffen, couragierte Kommunen, die die Konzepte finanzieren und umsetzen und eine aktive, zur Veränderung bereite Bürgerschaft.
Der Verkehrsreferent des Naturschutzbund Deutschland (NABU), Daniel Rieger, verdeutlichte die Chancen zur Durchsetzung neuer Technologien am Beispiel des iPhones: es wurde einfach auf den Markt gebracht, als noch niemand dachte, er würde es brauchen. Kurz darauf erlebte das Smartphone einen Boom und war schon wenige Jahr später nicht mehr aus dem Leben vieler Menschen wegzudenken.
Individuelle, standortunabhängige Verkehrskonzepte
Für die Umsetzung innovativer Mobilitätskonzepte gibt es jedoch keine „One-Fits-All“ Lösung, wie Christiane Scharnagl, Sustainability Manager von IKEA Deutschland, betonte. Gerade um das geplante Möbelhaus in Karlsruhe gab es aufgrund seiner Lage im Vorfeld viele Diskussionen: Im Gegensatz zu anderen Standorten befindet sich der Markt in der ohnehin verkehrstechnisch belasteten Innenstadt. Die hervorragende Anbindung an den ÖPNV war jedoch gerade der Beweggrund, warum IKEA nach Karlsruhe gekommen ist. Durch die Umsetzung eines maßgeschneiderten Lieferkonzepts will das Team dafür sorgen, dass möglichst viele Besucher mit alternativen Verkehrsmitteln wie der Bahn oder dem Fahrrad zum Einkaufen kommen. Dabei strebt das Unternehmen an, innerhalb der nächsten 5 Jahre komplett emissionsfrei auszuliefern. Außerdem ist IKEA Teil der weltweiten Initiative „EV100“. Sie strebt an, E-Mobilität im Transport bis 2030 zur Norm werden zu lassen.
In der IKEA Filiale Hamburg Altona wurde schon erreicht, was für viele andere Standorte wünschenswert wäre: ein Auto-ÖPNV-Verhältnis von 7:3. Das bedeutet, dass bereits bis zu 70% der Kunden die Filiale mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aufsuchen und Angebote wie Lastenanhänger nutzen, die sowohl mit dem Fahrrad als auch per pedes verwendet werden können.
Tina Teucher moderiert Veranstaltungen zu Themen rund um Nachhaltigkeit und zukunftsfähiges Wirtschaften. Sie bringt als Nachhaltigkeitsexpertin über 8 Jahre Erfahrung in Themen wie Sustainable Leadership, Unternehmensethik und grüne Innovationen in ihre Arbeit ein. Tina Teucher ist u.a. Mitglied im ThinkTank 30 (die jungen Denker der Deutschen Gesellschaft Club of Rome) und Alumni des MBA Sustainability Management. Zu ihren Kunden zählen sowohl internationale Konzerne, als auch mittelständische Unternehmen, Umweltorganisationen und Social Businesses.