Ein Tagungsbericht von der Herbsttagung 2021 des ThinkTank 30 zum Thema Lernen vom 29.-31. Oktober 2021 in Berlin
Was und wie wir lernen kann den Weg zur sozial-ökologischen Transformation ebnen – oft ist aber gerade unser heutiges Lernen dafür eine Hürde. In der 15. Tagung des ThinkTank 30 haben wir uns deshalb dieser zentralen menschlichen Praxis gewidmet: Wie können wir an Schulen Zukunft lernen? Was müssen wir in Organisationen auch erst einmal verlernen? Wo findet Lernen in der großen Transformation statt und wie können wir mehr voneinander lernen? Haben wir eigentlich noch Zeit zum Lernen und wie lernt man im und vom Tun?
Jeder kann von jeder lernen
Dier Herbsttagung 2021 des TT30 beschäftigte sich mit diesen Fragen, gemeinsam mit spannenden Gästen und Mitgliedern des ThinkTank30. Die Lernumgebungen der Tagung in Berlin vom 29. bis 31. Oktober spiegelte die Akademie Platons: Darin gab es keine Unterscheidung zwischen Lehrenden und Lernenden. Es gab nur den Austausch. Statt reiner Wissensvermittlung, also gemeinsame -ermittlung: So sprachen wir mit Bildungsexpert*Innen, Organisationsprovokateur*Innen, Schüler*Innen und Transformationsforscher*Innen.
Wie geht das ABC der Zukunft?
Der Start der Tagung am Freitag fand passenderweise an einem besonderen Lernort statt: In der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ). TT30-Mitglied Christian Hausner ist dort Lehrer und in verschiedenen Gremien an der Schnittstelle von Bildung, Lehre, Nachhaltigkeit und neue Lernmethoden engagiert. Kulinarisch verwöhnte Ulrich Beier die Tagungsteilnehmer*innen mit geretteten und regionalen Lebensmitteln. Beim gemeinsamen Dinner war als Überraschungsgast der Transformationsforscher Otto Scharmer vom MIT per Videokonferenz zugeschaltet. Er sprach über die Stufen des Wandels – bekannt als „Theory U“ – und machte deutlich, worauf es für beim Lernen im 21. Jahrhundert ankommt: „Es braucht eine Transformation Literacy“ – das ließe sich am besten mit Zukunftsalphabetisierung übersetzen, wie wir später in der Tagung noch erfuhren.
Selbstwirksamkeit erfahren: Das wichtigste Bildungsziel
Über das Konzept der Evangelischen Schule Berlin Zentrum erfuhren wir am Samstag mehr: Lehrerin Kerstin Wilmans stellte uns den Ansatz des Global Goals Curriculum vor. Darin geht es darum, wie Kindern und Jugendlichen eine Gestaltungsfähigkeit für individuelles und gesellschaftliches Wohlergehen entwickeln können. Dafür braucht es eine Weiterentwicklung von Unterricht und Lernsettings, von Organisationen und Akteur*innen, das gezielte Design von Lernräumen und eine Ko-Kreation in Lern-Ökosystemen und Netzwerken. In den Prinzipien des international angewendeten OECD Lernkompass 2030 geht es insbesondere um die Frage, welche Kompetenzen es braucht (Wissen, Haltungen, Werte und Skills) und wie sich diese erwerben lassen: Durch die „Agency“ (Verantwortungsübernahme) der Lernenden und ihrer Co-Agenten, wie Gleichaltrigen, Lehrkräften, Eltern und der Gemeinschaft.
Drei Schüler*innen gaben uns Einblicke in die offenen Lernkonzepte der ESBZ, in der sie fächer- und klassenstufenübergreifend lernen und sich viele der Lerninhalte praxisbezogen in Projekten und „Herausforderungen“ erarbeiten. Einer der Schüler ist von der Atmosphäre an der Schule und seiner eigenen dort erfahrenen Selbstwirksamkeit so begeistert, dass er nun selbst Lehrer werden will.
Bereit für die Zukunft?
Wie sehen Jugendliche die Zukunft und welche Kompetenzen glauben sie in der Zukunft zu brauchen? Über diese „Future Readiness“ sprach Tim Gensheimer vom SINUS-Institut. Erstaunlich für die TT30-Mitglieder waren die Ergebnisse seiner 2020 veröffentlichten Studie „Wie ticken Jugendliche?“. Die Befragten hatten darin über ihre Wünsche für die Zukunft gesprochen. Also „besonders bedeutsam“ stuften sie dabei ein: Stabiler Mittelstandsjob, feste Beziehung, Kinder, Haustier, Auto, Haus und Ferien. Über die Ursachen dieser Sehnsucht nach einer „bürgerlichen Normalbiographie“ lässt sich nur mutmaßen, eine Erklärung könnte die zunehmende Unsicherheit durch wahrgenommene Krisen in der sogenannten VUKA-Welt sein, die das Verlangen nach stabilen Verhältnissen im eigenen Leben verstärkt.
Zukunft von gestern?
Nach einem sonnigen Spaziergang entlang der Spree besuchten wir das Futurium. Das Haus der Zukünfte zeigt als teils interaktives Museum verschiedene Aspekte einer möglichen Zukunft. Nach der Führung durch die doch eher technologie-orientierte Ausstellung (mit schon länger als Innovationen bekannten Informationen wie Robotern, Baumaterialien und Ernährungsweisen) fragten wir uns, wo dabei die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konzepte diskutiert werden können, die wir im ThinkTank30 als relevant wahrnehmen: etwa Fragen nach der Zukunft des Lernens, einer Gemeinwohlökonomie, der Stärkung der Demokratie, der Rolle der Spiritualität in der Zukunft oder auch einem neuen Umgang mit der Frage nach Wachstum, wie sie der Club of Rome bereits 1972 in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ aufgeworfen hat und deren Aktualität heute ungemindert ist.
Ressourcen schonen durch neue Technologien
Wie lassen sich die Digitalisierung sinnvoll für mehr Nachhaltigkeit nutzen? Daniel Büning empfing uns am Sonntag in den Räumen der Nfrontier GmbH und teilte mit uns seine Erfahrung zum Lernen und Anwenden von neuen Technologien. Wichtig sei, die verschiedenen Möglichkeiten zu kombinieren: Virtual Reality und Augmented Reality, Künstliche Intelligenz, 3D-Druck usw. seien für sich gesehen wertvoll, aber erst wenn man die Auswahl und Kombinationsmöglichkeit hat auch sinnvoll. Durch dezentrale 3D-Drucker zum Beispiel lassen sich Ressourcen und Transportemissionen einsparen und sogenannte Filamente (so etwas wie Druckertinte für 3D-Drucker) lassen sich auch aus Recyclingmaterial herstellen. Damit man die Berührungsangst zu neuen Technologien verliert, sollten sie leichter zugänglich sein: Zum Beispiel 3D-Drucker an Schulen, mit denen Kinder spielerisch diese Form der Produktion kennenlernen können.
Auch Schule ist ein lernendes System
Der Anspruch der stetigen Weiterentwicklung und des “lebenslangen Lernens” gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Institutionen. „Schule ist ein lernendes System“, sagte Sabrina König, Koordinatorin der Club of Rome Schulen, als sie uns ihre Arbeit vorstellte. In langfristigen Entwicklungsprozessen von Schulen solle es darum gehen, voneinander und miteinander zu lernen. Die Club of Rome Schulen verstehen sich als Lernorte, wo junge Weltenbürger*innen ihre Selbstwirksamkeit entdecken und ihre Potentiale entfalten können. An diesen Schulen lernen Schüler*innen, globale und lokale Entwicklungen zu deuten, sich in komplexen Kontexten zu orientieren, und sich mutig, kreativ und tatkräftig in Entscheidungsprozesse einzubringen.
Ein großer Dank geht an alle Mitwirkenden, die diese Tagung zu einem Fest des Lernens gemacht haben!